Am 08. Mai 1945 unterzeichneten die Oberbefehlshaber der Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation. Um 23:01 Uhr sollten alle Kampfhandlungen eingestellt und der Zweite Weltkrieg in Europa beendet werden. Formell wurde anerkannt, was sich längst abzeichnete: Deutschland hatte den Krieg verloren. Unbeeindruckt vom Völkerrecht oder der strategischen Ausweglosigkeit setzten Deutsche Soldaten allerdings die Kampfhandlungen insbesondere gegen sowjetische Truppen noch tagelang fort – der Nationalsozialismus war von Anfang an nichts, was sich allein durch Erklärungen beenden lässt.

Noch heute geistert der Mythos der „Stunde Null“, des plötzlichen Bruchs der Deutschen mit der Nationalsozialistischen Ideologie zum Zeitpunkt der Niederlage, durch die Deutsche Gedenkkultur. So liest man aktuell etwa auf der Website der CDU-parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung, dass am 08. Mai „nicht nur ganz Europa, sondern gerade auch die Deutschen von der Tyrannei des Nationalsozialismus befreit“ wurden. Über so eine Formulierung ließe sich fast vergessen, dass es dieselben Deutschen gewesen sind, die der Hitler-Regierung an die Macht verhalfen, im Krieg kämpften und direkt oder indirekt am Holocaust mitwirkten.

Das passt allerdings zu einer Erinnerungskultur, für die sich Deutschland gerne selbst auf die Schultern klopft, bei der aber zweitrangig ist, wie es sich tatsächlich verhält. Noch 2018 verneinten laut einer Studie der EVZ mehr als zwei Drittel der befragten Deutschen, dass ihre Vorfahren zu den Täter*innen des Zweiten Weltkriegs gehörten und jede*r Fünfte gab an, die eigenen Vorfahren hätten Opfern geholfen. Das entbehrt nicht nur historischen Fakten – die Erinnerung einer abstrakten Geschichte funktioniert offenbar ohne unbequeme Fragen nach persönlichen oder familiären Verstrickungen.

Der Philosoph Christoph Menke vertritt die Position, dass Befreiung nicht auf einen Zustand, sondern auf einen Prozess zielt – Befreiung muss immer gemacht und kann nie endgültig erreicht werden. Nimmt man diesen abstrakten Gedanken ernst und denkt ihn vor dem Hintergrund des heutigen ‚Tags der Befreiung‘, dann liegt folgender Schluss nahe: Die Befreiung vom Nationalsozialistischen Terror wurde am 08. Mai 1945 mit den Mitteln des Krieges ermöglicht. Bis heute müssen wir mit allen anderen Mitteln dafür kämpfen, dass nichts Ähnliches sich wiederhole.

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