Vor, während und nach dem NDRS2021 haben uns von verschiedenen Seiten Zuschriften erreicht, in denen die Einladung der Referentin Koschka Linkerhand missbilligt wurde. Der darin übereinstimmend vorgebrachte Hauptpunkt besagt, dass Linkerhand von vielen Personen als transfeindlich wahrgenommen werde bzw. Transfeindlichkeit reproduziere und das Festival entsprechend keinen sicheren Raum für die Betroffenen biete. Diese Punkte haben wir damals in Antwortschreiben besprochen, denen wir jeweils die Einladung angeschlossen haben, sich mit uns und den Besucher*innen vor Ort über inhaltliche Differenzen auszutauschen. Die Einladungen wurden allerdings nicht nur nicht angenommen, sondern in einigen Fällen mit Maßnahmen gegen das NDRS quittiert: Es wurden Mails über feministische Verteiler geschickt, die Darstellungen dieses Konflikts enthalten, die in unseren Augen nicht bloß sachlich unzureichend sind, sondern auch dadurch, dass sie nicht an uns adressiert sind, den unsolidarischen Abbruch des gemeinsamen Gesprächs darstellen. In einem Fall wurde einer unserer Geldgeber*innen kontaktiert mit dem Hinweis, dass wir transphoben Referent*innen eine Bühne böten. Die adressierte Stiftung meldete sich noch während des Festivals aufgrund der E-Mail telefonisch bei uns, um diese Irritation aufzuklären. Da es zu diesem Umstand ebenfalls Gerüchte und unsachliche Darstellungen gab, wollen wir an dieser Stelle klarstellen: Die Stiftung wurde nicht explizit dazu aufgefordert, uns Geldmittel zu entziehen, noch überhaupt die Arbeit mit uns zu beenden. Dass diese Forderungen nicht ausdrücklich erhoben wurden, bedeutet allerdings nicht, dass diese als Konsequenzen nicht mindestens in Kauf genommen wurden – uns ist schleierhaft, welche Absichten, die nicht in der Sanktionierung unserer Arbeit bestehen, mit dieser Aktion verfolgt werden sollten. Und um auch dies klarzustellen: Es wurden uns keine Fördermittel oder ähnliches entzogen. Aufgrund der bisher einseitigen öffentlichen Darstellung des Konflikts halten wir es für nötig, eine öffentliche Erklärung zu dieser Sache abzugeben.
Wir sind ein Zusammenschluss aus den verschiedensten Ecken und Nischen Kassels mit unterschiedlichen politischen Hintergründen und Vorstellungen. Entsprechend gibt es bei uns wie überall inhaltliche Konflikte, Dissens und Differenzen. Worin wir uns aber alle einig sind – und das ist eines der Fundamente unserer politischen Arbeit – ist die Überzeugung, dass Transfeindlichkeit wie jede andere Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit eine Gewaltform darstellt, die es immer und überall zu bekämpfen gilt! Koschka Linkerhand vertritt offenkundig kontroverse Positionen, zu denen es weder bei uns noch in sonst einem politischen Kontext eine einheitliche Einstellung gibt. Den in den Zuschriften erhobenen Vorwürfen, ihre Positionen stellten Formen ebenjener gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit dar, widersprechen wir allerdings. Uns ist klar, dass es im Spektrum feministischer Standpunkte auch solche gibt, die denen Linkerhands fundamental widersprechen. Aus diesem Grund haben wir versucht, für das Festival möglichst viele verschiedene Positionen zu versammeln – ein Vorhaben, dessen Umsetzung daran gescheitert ist, dass alle von unseren je zuständigen AGs kontaktierten Akteur*innen, darunter etwa Bini Adamczak, im Vorfeld abgesagt haben. Den Vorwurf gegen uns, dass wir ausschließlich einer einzigen feministischen Position auf dem Festival eine Bühne bieten wollten, weisen wir zurück: Es hätte viele Bühnen für viele Positionen gegeben. Darüber hinaus war auf dem NDRS2020 mit Hannah Engelmann ausschließlich eine Position des queerfeministischen Spektrums vertreten, bei der wir ebenfalls keinerlei Beanstandungen hinsichtlich der Einseitigkeit geduldet hätten. Auf dem Festivalgelände im Nordstadtpark war darüber hinaus das feministische Sofa vertreten, auf welchem (queer)feministische Utopien offen für alle verhandelt, ausgedacht und weiterentwickelt wurden. Dieses Sofa hätte in unseren Augen ebenso wie die Veranstaltung zum Feministischen Wir ein Ort sein können, an dem – abseits des Diskussionsraums im Rahmen des Vortrags von Koschka Linkerhand – ein Austausch und eine Diskussion hätte stattfinden können. An dieser Stelle besteht nämlich ein weiterer Irrtum, der in der gesamten Auseinandersetzung bisher zu Verwirrungen geführt hat: Abgesehen von dem Auftritt von Koschka Linkerhand gab es auf dem NDRS2021 mit dem Veranstaltungsformat zum ‘Feministischen Wir’ eben auch ein anderes Format zum Themenbereich Feminismus. Diese Formate wurden von verschiedenen AGs geplant und umgesetzt, sodass ohnehin alle Vorwürfe oder Einwände gegen die Einladung Linkerhands nicht an die Adresse der Oragnisator*innen dieser anderen Formate adressiert werden sollten, wie häufig geschehen.
Uns ist wichtig zu betonen, dass wir als NDRS die Streitlinien innerhalb des feministischen Diskurses nicht aufheben können und das auch gar nicht wollen. Unser Festival soll einen politischen Raum darstellen, in dem eben dieser Diskurs geführt werden kann. Aus diesem Grundsatz ergibt sich, dass dieser politische Raum einer sein muss, in dem Dissens, Spannungen und Konflikte notwendig entstehen, diskutiert und ausgehalten werden müssen. Wir bemühten uns bisher und bemühen uns in Zukunft noch mehr, auf dem Festival selbst sichere Räume anzubieten, die Rückzugsmöglichkeiten und Ruhe bieten. Auf dem Festival gibt es safe spaces – als politisches Festival kann es aber nicht selbst zu einem werden, ohne seinen Charakter grundlegend zu verändern.
Wir hoffen, mit diesem Statement den solidarischen und in unseren Augen sehr wichtigen Austausch zwischen uns und allen politischen Akteur*innen in Kassel weiter anzuregen. Wir sind angewiesen auf Schulterschlüsse, die nicht von Konsens, sondern vor allem auch von wechselseitiger Kritik leben.
Solidarische Grüße NDRS