Heute am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus jährt sich die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik fielen Juden und Jüdinnen, Sinti*zze und Rom*nja, Homosexuelle und queere Menschen, Menschen mit Behinderungen, sozial und politisch nicht an die NS-Ideologie angepasste Menschen, sogenannte „Asoziale“, „Arbeitsscheue“ und „Berufsverbrecher“, Menschen aus Osteuropa und politische Gegner*innen zum Opfer. Der Kampf um Anerkennung als Opfer sowie um Entschädigung dauerte für die Überlebenden und ihre Nachkommen oft Jahrzehnte und blieb nicht selten erfolglos. So wurden die sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“, die oftmals aufgrund einer unangepassten Lebensweise verfolgt wurden, erst 2020 offiziell als Opfer anerkannt. Am 27. Januar gedenken wir aller Opfer des Nationalsozialismus.

Dieses Gedenken ist heikel. Nicht erst in den letzten Jahren erleben wir Relativierungen oder sogar Leugnungen der in ihrer Qualität unvergleichlichen Verbrechen, die die Nationalsozialist*innen begangen haben: Während der sogenannten Corona-Proteste stellten sich Verschwörungsphantasierende in eine Reihe mit den Opfern des Nazi-Regimes – Jana aus Kassel konnte zwischen sich und Sophie Scholl keinen Unterschied erkennen. Zugleich entfacht in den Feuilletons ein vermeintlicher „zweiter Historiker*innenstreit“ über die Frage nach der Präzedenzlosigkeit des Holocaust, ein Streit, der mit ähnlicher Stoßrichtung 1986 noch von Rechtsreaktionären zur Erinnerungsabwehr geführt wurde, soll nun in der Debattenkultur der sogenannten Mitte seinen Ort haben.

Die lauteste und gewalttätigste Kraft im Kampf um die Erinnerungsabwehr ist und bleibt aber die äußerste Rechte: Faschist*innen wie der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke machen gar keinen Hehl aus ihren Absichten, wenn sie eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordern. Die AfD erzielte bei den letzten Bundestagswahlen über 10% der Stimmen; in Thüringen ist sie mittlerweile die zweitstärkste Kraft.

Den offiziellen Gedenkritualen des „Erinnerungsweltmeisters Deutschland“ zum Trotz ist der Zustand deutscher Gedenkkultur überwiegend starr und ermüdend: Mittlerweile gehört die Beteuerung, dass es nicht bei der Kranzniederlegung bleiben dürfe, zu jeder Festtagsrede nach der Kranzniederlegung dazu. Dass es tatsächlich dabei nicht bleiben kann, das unterstreichen jüngste Studien übereinstimmend: Etwa ein Drittel der Europäer*innen geben an, „wenig“ oder „gar nichts“ über den Holocaust zu wissen. Unter den jüngeren Deutschen (18-34 Jahre) liegt diese bestürzende Zahl sogar bei 40%. Der antifaschistische Ausruf „Kein Vergessen!” verliert jede Kraft, wo das Geschehene nicht mal bekannt war.

Im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus geht es nicht nur darum, Vergangenes präsent zu halten – auch wenn das insbesondere in der bevorstehenden Zeit ohne Zeitzeug*innen der Deutschen Vernichtungspolitik eine große Aufgabe bleiben wird. Es geht auch darum, sich der Tatsache zu stellen, dass Fragmente nationalsozialistischer Ideologie bis heute in Deutschland fortbestehen und ein Handeln zeitigen, das nach wie vor Todesopfer fordert. Darum sind das Gedenken an die Opfer und der fortwährende Kampf gegen Menschenfeindlichkeit untrennbar.

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